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Presseerklärung: Verhaftung, Folter und Ermordung des Anwalts Luqman Hannan unter türkischer Verantwortung in Afrin

Am 19.12.2022 um 17:00 Uhr wurde der 45-jährige Anwalt, Luqman Hannan vor seinem Haus in Afrin von der ortsansässigen Polizei verhaftet, die ihn an die Anti-Terror Polizei übergeben hat. Dies wissen wir aus gesicherten Quellen. Die Anti-Terror Polizei wird von türkischen Offizieren geleitet.

Einige Stunden nach der Verhaftung sei das Haus unter türkischer Offiziersanleitung durchsucht worden. Hannans Ehefrau wurde der Grund der Durchsuchung nicht mitgeteilt. Da man die gesuchten Materialien nicht fand, wurden der private Laptop und das Handy beschlagnahmt.

An den zwei darauffolgenden Tagen erhielt die Familie widersprüchliche Informationen über seinen Zustand. Das Mitglied einer Brigade soll mitgeteilt haben, dass er gefoltert würde. Man solle für seine Freilassung bestechen. Ein arabischstämmiger Bekannter von Hannan, behauptete der Familie gegenüber, er befinde sich unter guten Umständen und würde in einigen Tagen freigelassen werden.

Am frühen Morgen des 22.12.2022 wurde der Bruder des Opfers vom Militär-Krankenhaus kontaktiert und aufgefordert, die Leiche von Luqman Hannan abzuholen.

Der Bericht aus der Gerichtsmedizin wurde in den sozialen Medien veröffentlicht. Die Ausführungen des Bericht widersprechen den Leichenbildern, die die Familie aufgenommen hat, sowie den Augenzeugenberichten der Bestatter. Der Leichnam trägt deutlich erkennbare Folterspuren. Im Bericht wird dagegen behauptet, Hannan sei eines natürlichen Todes gestorben und es seien keine Folterspuren an seinem Körper erkennbar.

Mögliche Gründe für die Verhaftung:

Bis dato gibt es keine offizielle Mitteilung über die Gründe der Festnahme. Die Vermutungen der Familie fassen wir wie folgt zusammen:

  1. Vorwurf der Zusammenarbeit mit der damaligen kurdischen lokalen Administration in Afrin: Dies gilt bei nahezu jeder Verhaftung als Grund und ist meist eine Methode, um für die Freilassung Geld zu erpressen. In Hannans Fall belege dies ein Video aus 2018, in dem er vor seinem Haus die Nacht verbrachte und sagte: „…Wir können nicht alle gleichzeitig schlafen, einer muss immer wach bleiben, ich muss heute die Wache halten…“  Aufgrund dieses Videos wurde er bereits verhaftet. Den Angehörigen zufolge soll er das Video nach der türkischen Besatzung veröffentlicht haben. Es bezog sich auf die fehlende Sicherheit und tägliche Einbrüche in Afrin.
  2. Rache: Ein Mitglied der Brigade Sultan Murad habe versucht, eine Wohnung des Opfers zu besetzen. Als Anwalt gelang es Hannan, die Wohnung durch rechtliche Schritte zurückzubekommen. Er konnte darüber hinaus vielen Kurden helfen, ihr willkürlich entnommenes Eigentum mittels Bevollmächtigungen zurückzuerlangen. Diesbezüglich sollen die Mitglieder der Milizen ihm mehrfach gesagt haben, er sei ein Hindernis für ihren Lebensunterhalt. Man habe ihm sogar gedroht, ihm das Ausüben seiner Tätigkeit als Anwalt zu verbieten. Dafür musste er in regelmäßigen Abständen eine Bestechungssumme von 200 bis 300$ zahlen.
  3. Menschenrechtsaktivist: Auf unsere Anfrage bestätigten uns Menschenrechtsorganisationen, dass Hannan aktiv vor Ort mitgewirkt hat. Er soll Informationen über Menschenrechtsverletzungen in Afrin an diese Organisationen weitergegeben haben.

Die Verantwortung der Türkei:

Hannan wurde seit der türkischen Besatzung 2018 mehrmals und ebenfalls willkürlich und ohne Angabe von Gründen verhaftet, unter anderem am 27.07.2020. Seine Freilassung am 18.08.2020 kostete ihn 3000$ Bestechungsgeld.

Luqman Hannan war Vater von drei kleinen Kindern. Seit über 15 Jahren befand er sich aufgrund seiner Multiplen-Sklerose- Erkrankung in einer gesundheitlich kritischen Situation.

Wir, im kurdischen Zentrum für Studien & juristische Beratungen e.V.-Yasa, verurteilen die Verhaftung, Folterung und Ermordung von Luqman Hannan durch die Türkei auf das Schärfste. Sein trauriges Schicksal ist eines von zahllosen Beispielen für die Verachtung der Menschenrechte in der von der Türkei besetzten Region Afrin.

Als Besetzungsmacht in der Region Afrin ist die Türkei für die Menschenrechtsverletzungen und für die Ermordung von Luqman Hannan verantwortlich und muss die Umstände der Festnahme und des Todes offenlegen und die direkten Verantwortlichen zur Rechenschaft ziehen.

Die Türkei muss ihren Pflichten nachkommen und ihrer Verantwortung als Besatzungsmacht nach internationalem Recht nachkommen. Dazu gehören: Die Menschenrechte zu schützen und zu respektieren, Verletzungen durch die sogenannten SNA Milizen zu verhindern und die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen.